Goodwood: Festival of Speed 2024

„Unser Festival ist längst ein Oldtimer-Lifestyle-Event. Die Autos sind zwar der wichtigste Teil davon, aber inzwischen ist es viel mehr als ein Motorsport-Ereignis geworden.“ Das sagte „The Duke of Richmond and Gordon“, der als Hausherr zur 31. Auflage des Festival of Speed (FOS) vom 11. bis zum 14. Juli nach Goodwood eingeladen hatte. 

Beim diesjährigen Motorsport-Festival nahmen wieder eine Vielzahl alter, zeitgenössischer Sport- und Formelwagen sowie moderner und historischer Rennfahrzeuge teil, die sich sowohl an einem Bergrennen als auch an Demo-Läufen beteiligten. Traditionell fand die Veranstaltung am Goodwood House in West Sussex (England) statt.

Im Mittelpunkt standen Attraktionen wie das 100jährige Jubiläum von MG, der 50. Jahrestag von Shadows letzter CanAm-Meisterschaft, Joest Racings erstem Le Mans-Sieg mit dem 956er Porsche, 20 Jahre Red Bull Racing, der 75. Geburtstag des 2019 verstorbenen dreifachen österreichischen Automobil-Weltmeisters Niki Lauda sowie die Würdigung großer Motorsport-Persönlichkeiten: Michael Dunlop als Rekord-Sieger bei der Isle of Man mit 29 Erfolgen und „King“ Richard Petty, der US-amerikanischen Rennfahrer-Legende.

An Niki Lauda erinnerte der Veranstalter mit dessen Formel 1- Rennwagen: vom March über den BRM, die Ferrari und den „Staubsauger-Brabham“ bis hin zum McLaren MP4/1B und dem Jägermeister Alpina BMW 3,0 CSL aus der Saison 1973. 

Wie schon in den Jahren zuvor war das Festival ausverkauft – rund 140.000 Besucher pilgerten täglich durch das Idyll im Grünen, denn exklusive Ausstellungen, ein Concours d’Elegance, das berühmte Paddock, in dem Le Mans-Rennwagen neben historischen und aktuellen F1-Boliden standen,  waren weitere Höhepunkte. Auch an Action mangelte es nicht: Bergrennen, Driftkhana, Prüfungen auf dem Rally-Parcours „Forest Rally Stage“, die „Safari Championship“, die Konkurrenz „Best of Farm“ und die „Beach Cars“. Dazu gab es Massenandrang bei der Automobilausstellung, die 2010 primär als Reaktion auf die Absage der British International Motor Show ins FOS aufgenommen worden war. Das ohnehin schon „volle Programm“ wurde durch die eindrucksvolle Flugshow der „Red Arrows“, die neben der berühmten Formation „Diamond Nine“ auch andere bekannte Kunstflugmanöver in den Himmel zeichneten, ergänzt.

Zum Bergrennen, dem „Hillclimb“: Formel 1-Heros, berühmte Sport- und Tourenwagen-Piloten, professionelle Amateure mit Rennlizenz und Test- sowie Versuchsfahrer der Autohersteller starten auf dem knapp zwei Kilometer langen anspruchsvollen Bergaufstück mit seiner schmalen, eng begrenzten Fahrbahn – vorbei an Tribünen mit begeisterten Zuschauern, die anfeuern, jubeln und feiern, wenn bei heißen Drifts und teils infernalischem Lärm “schwarzes Gold” verbrannt wird. Wobei die Protagonisten in ihren aktuell hochkarätigen Rennwagen die Rekordzeit von 39,08 Sekunden (2022) beim Hill Climb Shootout von Max Chilton mit dem elektrischen McMurtry Spéirling, einem Einsitzer – der sich durch Gebläse auf die Fahrbahn saugt, wie einst der Chaparral 2J und der Brabham BT46B – unter den Augen des sachkundigen Publikums schlagen wollten.

45 Teilnehmer hatten für die Top-30 zum „Shootout“, den Höhepunkt des Festivals of Speed gemeldet – vom Darracq 200 JHP von 1905, Fahrer Mark Walker, bis zum Subaru WSRX „Midnight Express“ von 2024 des US-Amerikaners Scott Speed. In der Favoritenrolle: der Ford Supervan 4.2 des zweimaligen Le Mans-Siegers Romain Dumas. 

Chilton, Vorjahressieger und Rekordhalter: „Meine 39er-Zeit dürfte kaum zu unterbieten zu sein. Jetzt blicken wir schon auf eine Kunden-Version des McMurtry.“ Der hat 1000 PS, und die Drehzahl ist am Lenkrad von 10.000 bis 23.000 U/min einzustellen.

Chilton hatte recht: sein Rekord blieb unangetastet, denn im finalen „Shootout“ wurde Romain Dumas trotz eines kleinen Fahrfehlers in der vorletzten Kurve mit 43,987 gestoppt – das war sein dritter FOS-Sieg. 

Berühmte Formel 1-Rennwagen vergangener Jahre fanden auch diesmal das besondere Zuschauer-Interesse. So wurde neben dem B.R.M. Typ 15 V16, dem Maserati 250F aus dem Jahre 1954 auch ein Lancia-Ferrari D50 gezeigt, den Wolfgang Graf Berghe von Trips erstmals im Training zum Großen Preis von Italien 1956 fuhr. Mit dem D50 gewann Juan Manuel Fangio im gleichen Jahr die Automobil-Weltmeisterschaft. Für Aufsehen sorgten der Mercedes-Benz W196 in der Monoposto-Version und als besonderer Blickfang der blaue Mercedes-Benz-Rennwagen-Schnelltransporter von 1955 mit einem W 196 R mit Stromlinienkarosserie an Bord. 

Im Blau-weißen N.A.R.T.-Design hatte Ferrari den 1964er-Ferrari F1-Weltmeister-Wagen von John Surtees nach Goodwood gebracht, der in den Grands Prix von Mexiko und in den USA eingesetzt wurde. Blau-weiß deshalb, weil Enzo Ferrari wegen einer nicht erfolgten Homologation im gleichen Jahr durch die FIA und der fehlenden Unterstützung durch den italienischen Automobilclub ACI so erbost war, dass er seine Rennlizenz zurückgab und schwor, niemals wieder “in seinem Rennrot” anzutreten. 

Ein weiteres Highlight präsentierte Honda mit dem RA 272, der in der Formel 1-Saison 1965, gefahren vom US-Amerikaner Richie Ginther, in Mexiko den ersten Grand Prix-Triumph für die Japaner und für Goodyear erzielte. Yuki Tsunoda, Scuderia Alphatauri, schwärmte von seinem Einsatz in diesem legendären Boliden: „Erstmals passt das Monocoque eines klassischen Formel 1-Wagens wie maßgeschneidert auf meine Größe. Ein Lenkrad ohne irgendwelche Schalter, herrlich!“

Gerade in England sind die berühmten Sharknose unvergessen: Graf Trips gewann mit einem Ferrari 156 am 15. Juli 1961 in Aintree den britischen Grand Prix. Chris Rea ließ die erste Sharknose von Paul Harvey für seinen Film „La Passione“ herstellen und Jason Stuart Wright sorgt seit 2017 mit seinen Recreationen by Dan Setford weltweit für Schlagzeilen. Primär deshalb, weil kein einziges originales Fahrzeug mehr existiert.

Das Aufgebot der F1-Wagen aus den 1950er und 1960er Jahren war imposant, wurde aber durch die Palette der Boliden späterer Epochen zweifellos noch gesteigert. Dazu gehörten u.a. Ligier-Cosworth JS11, Lotus-Cosworth 77, March-Cosworth 721X, Renault RS 10, Ferrari 640, B.R.M. P180, Ferrari 312T, Ferrari 312T/B3, B.R.M. P160E, Brabham-Alfa Romeo BT46B, McLaren-Cosworth MP4/18, McLaren-TAG MP4/2B, Jaguar-Cosworth R2, die Shadow-Cosworth-Modelle DN1, DN3, DN5, DN8, DN9, DN11, McLaren-Cosworth M23, Williams-Cosworth FW08, McLaren-Honda MP4/6, Williams-BMW FW 26, Ferrari F2007, Lotus-Renault E20 und Ferrari SF70H.

Der legendäre Lotus 49, Titelträger 1968 mit Graham Hill, ergänzte die Galerie von Rennwagen, die Motorgeschichte schrieben – genau so wie die beiden Ferrari 156 Sharknose Recreationen, gefahren von seinem Besitzer Jason Stuart Wright und dessen Freund Arturo Merzario, der an 57 Formel 1-WM-Grands Prix teilnahm und zehn Sportwagen-WM-Läufe gewann.

Red Bull fuhr nicht nur mit weniger als 18 aktuellen und älteren F1-Rennern vor, sondern zog auch den Vorhang von seinem spektakulären Hypercar RB17. Die letzte Kreation des genialen Konstrukteurs Adrian Newey für den erfolgreichen Brauseproduzenten kommt auf 1200 PS (882 kW).

Damon Hill und Jackie Oliver gehörten zum Shadow-Goodwood-Aufgebot. Hill. WM-Titelträger von 1996, sagte über seinen Shadow-Dodge DN4B: „Total verrückt, dieser unglaubliche Abtrieb. Richtig Gas zu geben, habe ich mich ehrlich nicht getraut, da vorn die Crash-Struktur die Beine des Fahrers kaum schützt.

F1-Stars dominierten zwar die zahlreichen Programmpunkte, aber auch legendäre Le Mans-Piloten sorgen mit ihren Rennwagen für Furore. Zu bestaunen waren u.a. Ferrari F40 LM, Audi R8R, BMW V12 LMR, Mercedes-Benz CLK LM, Howmet TX, Jaguar XJR9 LM, Audi R18 TDI Ultra, Porsche 956, Matra MS670 und ein Maserati MC12.

Jacky Ickx sah man im Le Mans-Sieger-Porsche 936/77. „Jeder Fahrer, der einmal mit diesem Wagen gefahren ist, strahlt. Außerdem gefällt mir heute noch die Martini-Lackierung.“ 

Besonders attraktiv: Die Besucher können während der gesamten Veranstaltung alle Fahrerlager betreten, um die Wagen zu besichtigen und mit den Piloten – auch am Drivers Paddock – zu sprechen. Deshalb standen wiederum berühmte Rennfahrer im Mittelpunkt.  Der Duke of Richond begrüßte u.a. Emerson Fittipaldi, Mika Häkkinen, Jacky Ickx, Max Verstappen, David Coulthard, Klaus Ludwig, Karl Wendlinger, Alexander Albon, Logan Sargeant, Sergio Perez, Christian Klien, Daniel Ricciardo, Kenny Acheson, Richard Attwood, Juan Pablo Montoya, Marc Gené, Romain Dumas, Hans-Joachim Stuck, Poldi von Bayern, Stig Blomqvist, David Brabham, Bruno Senna, Sèbastian Ogier, Johnny Cecotto und nicht zu vergessen die Alpine-Junioren Jack Doohan und Sophia Flörsch sowie den künftigen Haas-Piloten Oliver Bearman. 

Adrien Newey, von den Fans begeistert gefeiert, fuhr einen Aston Martin Valkyrie und startete beim Hillclimb mit dem Ferrari 312T, dem Weltmeisterwagen von Niki Lauda aus dem Jahr 1975. Am Rande des Festivals ließ es sich Newey nicht nehmen, das neueste Buch “Goodwood since 1948” für die Bibliothek der Trips-Stiftung mit einer Widmung zu signieren – vielen Dank! 

Richard Pettys Plymouth Superbird, 1970

Hommage für die NASCAR-Stars Richard und Kyle Petty

Richard Petty, 86 Jahre, siebenfacher NASCAR-Champion, und sein Sohn Kyle, 64, fuhren nach der Würdigung durch den Earl of Richmond über die Strecke und bekamen von den Fans “Standing ovations”. Kyle saß am Steuer des legendären Plymouth mit der Startnummer 43, Richard als Mitfahrer in einem Begleitfahrzeug. Mit der rechten Hand am Lenker, filmte Kyle seinen Vater mit dem berühmten Cowboy-Hut. Kyle, ehemals bekannter NASCAR-Pilot und auch Sänger und TV-Kommentator: „Der King hier in Goodwood, das ist doch etwas ganz Besonders.“

Das Event 2024 wurde vom britischen Traditionsunternehmen MG anlässlich seines 100jährigen Bestehens promotet

MG wurde vor dem Goodwood House durch ein überdimensionales Speichenfelgen-Konstrukt, an dessen Enden ein MGB nach Westen zeigte und die neueste Kreation unter chinesischer Leitung, der MG Cyberstar Cabrio, nach Osten ausgerichtet ist, eindrucksvoll in Szene gesetzt. Der Hausherr, der 69jährige Charles Henry, 11th Duke of Richmond, dessen Großvater Frederick Charles Gordon-Lennox, 9th Duke of Richmond, genannt „Freddie March“ 1931 ein eigenes MG-Rennteam und 1949 die Rennstrecke von Goodwood bauen ließ, nahm beim Korso im Führungsfahrzeug, einem MG C-Type aus jener Zeit, Platz. 

Seit Jahren mit großem Aufgebot in Goodwood vertreten, will die anwesende Autoindustrie mehr und mehr Einfluss gewinnen: Sie hat vor, das Festival zur Open-Air-Veranstaltung der automobilen Gegenwart werden zu lassen und das Event zur wichtigsten Automesse Englands, vielleicht sogar ganz Europas zu machen. 

Rallye Stage, Hyundai I20N Rally2

Deshalb folgen Industrie inklusive der Zulieferer – und natürlich auch die Tuner und Veredeler – dem Goodwood-Lockruf vom Duke of Richmond in Massen, der hier große Teile der Ländereien besitzt – inklusive Flugplatz und eigener Rennstrecke. 

Zur Erinnerung: britische Motorshows und Automobil-Ausstellungen gehören quasi der Vergangenheit an – daran besteht längst kein Zweifel mehr! In altbekannten automobilen Hochburgen wie London oder Birmingham ist Stille eingekehrt. Inzwischen haben die echten Autofans aber eine neue und höchst interessante Location entdeckt: das großflächige  Anwesen des Duke of Richmond – und dort zelebrieren sie das Auto vier Tage lang wie nur die Briten es machen.

Nach dem Untergang der klassischen Messen und fehlenden Alternativen auf der Insel endlich ein Format, um die frohe Auto-Botschaft nebst Elektrifizierungstendenzen in die weite Welt herauszutragen – auch wenn es sich hier nur die flachen Hügelketten des Rennsport-begeisterten Gentleman handelt.

Denn dem Duke of Richmond ist es gelungen, die Veranstaltung seit den frühen 1990er Jahren bestens zu vermarkten. Außerdem hat er die Chance erkannt, das Festival of Speed zu einem Mekka der Autofans zu machen – bodenständig und exklusiv zugleich. 

Aktuell präsentierten die Hersteller unter dem Motto “Horseless to Hybrid: Revolutions in Power” ihre Modelle, die 130 Jahre automobilen Fortschritt transparent machten: BMW nutzte das Festival, um zahlreiche Neuheiten und Facelifts vorzustellen, darunter den neuen X3, das Facelift des 1ers, den M5, das Concept Skytop und auch den sportlichsten Ableger der Tochtermarke Mini, den elektrischen Cooper JWC E. Natürlich war auch Honda vor Ort, um seinen Entwurf Prelude vorzustellen.

Interessant und deutlich preisgünstiger wird das Hybrid SUV MG HS, das hierzulande wahrscheinlich wieder als MG EHS an den Start geht. Der britisch-chinesische Hersteller fuhr auch den Elektroroadster Cyberster ins Rampenlicht und stellt ihm sogleich die gelungene Coupé-Variante namens CyberGTS zur Seite.

Ungeteilte Aufmerksamkeit erhielt in diesem Jahr die Marke Polestar, die als Premiere das Concept BST vorstellte. Um einen Blick auf das Elektroroadster-Konzeptfahrzeug zu werfen, musste man viel Zeit mitbringen. Das galt auch für den Genesis-Ausstellungsstand – dort wurde ein Premieren-Trio gezeigt. So hat die koreanische Marke mit dem Genesis X Gran Racer VGT Concept einen Zukunfts-orientierten Sportler im Angebot und zeigt zugleich mit dem Genesis GV60 Magma Concept ein potentes Elektro-SUV, das im kommenden Jahr als Serienmodell starten wird. Der neue Markenbotschafter Jacky Ickx, früher auch für Audi tätig, präsentierte den G80 EV und den G70, in auffälligem Magma-Orange. 

Ford freute sich über das große Publikums-Interesse. Die Marke hatte den rein elektrischen Capri und auch die Sport-Version Mustang GTD nach Goodwood gebracht. Der Capri, benannt nach dem populären Sportcoupé aus den 70er Jahren, ist das zweite Elektromodell, das Ford Electric vom Band laufen lässt. Doch Ford rüstet weiter auf: Mit dem Ford Puma Hybrid Rally 1 ist auch der beliebte Allradler wieder dabei, der in der ersten Saisonhälfte der diesjährigen FIA-Rallye-Weltmeisterschaft drei Podest-Resultate erzielt hat. Schlussendlich enthüllte Ford auch den Raptor T1+. Auf dem großen Grundstück des Duke of Richmond sah man aber auch relativ unbekannte Namen wie den Czinger. Die 2019 von Kevin und Lukas Czinger gegründete Automarke zeigt wieder den 21C, einen im 3D-Druckverfahren entwickelten Hybrid-Sportwagen.

Summa summarum: Beim diesjährigen Event wurde wieder viel geboten, denn das Festival mutiert inzwischen zum Salon für automobile Neuheiten, darunter elektrobetriebene, sehr sportliche, aber auch solche für den Alltag.

Jeder, der Geschwindigkeit, Autos und den Geruch von heißem Motoröl mag, kam voll auf seine Kosten, denn bei der exklusivsten PS-Party des Jahres standen natürlich auch Motorräder im Mittelpunkt – und deren legendäre Fahrer begeisterten die Zweirad-Fans: Randy Mamola, Kenny Roberts, Didier de Radigues, Freddie Spencer, Mick Doohan und der 15fache Weltmeister Giacomo Agostini. Bei der Pedal-Einstellung seiner MV Augusta musste der 82jährige Agostini selbst zum Werkzeug greifen. „Ich habe jetzt Yamaha-Mechaniker, die noch eingearbeitet werden müssen.“ Zusammen mit den Sidecar-Stars hatten sich auf dem herzoglichen Grund fast 40 Zweirad-Weltmeister-Titel versammelt. Was für ein sensationelles Aufgebot!

Goodwood 2024: nach wie vor DAS Event für alle Liebhaber von schnellen, alten, teuren oder seltenen Automobilen und legendären Zweirädern – und das sind die Garanten – wie auch in den vergangenen Jahren – dass das Festival von einer riesengroßen Fangemeinde zelebriert wurde. Wie sich hier traditioneller Motorsport mit modernster Technik paart, ist einmalig. Ganz zu schweigen von dem riesigen Zuschauer-Interesse. Mark Webber: „Es ist das beste Event der Welt und ich weiß nicht, wer Zweiter ist, aber er ist weit, weit dahinter.“ 

Eine persönliche Anmerkung: Als langjährigen Besucher des Festival of Speed quält mich am Ende eines jeden Tages in Goodwood immer die Frage: Ist mir irgendetwas Tolles entgangen? Meistens ist es so, denn alle Attraktionen, die das Festival of Speed bietet – sei es fahrend, stehend oder fliegend – zu erleben, ist schier unmöglich.

Fotos: Jörg-Thomas Födisch (5), Rainer Roßbach (75)/Text: Jörg-Thomas Födisch

Charles Gordon-Lennox, 11th Duke of Richmond (©Matt Sills, Wikipedia Commons)

Historie: Festival of Speed 

Das Goodwood Festival of Speed (FOS) findet seit 1993 auf dem Gelände von Goodwood House in Westhampnett (Südengland) statt. 

Goodwood Estate liegt im malerischen Süden Englands, rund zehn Kilometer nördlich von Chichester und ist ca. zwei Stunden von London entfernt. Auf 4.856 Hektar wird es von dem zentralen, denkmalgeschützten Goodwood House dominiert. Es beherbergt auch den Goodwood Circuit (Motorsport), die Goodwood Racecourse (Pferdesport), den Goodwood Cricket Club, zwei Golfplätze und ein Hotel.

Veranstalter des FOS ist der motorsportbegeisterte Charles Henry Gordon-Lennox, Duke of Richmond. 

Der Duke erzählt:

„Die erste Motorsportveranstaltung in Goodwood war ein privates Bergrennen, das mein Großvater, Frederick Gordon-Lennox, 9th Duke of Richmond, 1936 auf seinem weitläufigen Anwesen veranstaltete. Als begeisterter und erfolgreicher Motorsportler, er gewann in seiner Karriere u.a. das Brooklands Double Twelve Race, startete er selbst bei diesem Rennen.“

In der Goodwood-Chronik ist vermerkt: Ende der 1930er Jahre hatte das britische Luftfahrtministerium in der Nähe von Westhampnett mehrere Landflächen vom Duke of Richmond requiriert.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Royal Air Force Station Westhampnett, kurz RAF Westhampnett, dann als Entlastungsflugplatz zu der in der Nähe gelegenen Station RAF Tangmere ausgebaut und wurde als Ausbildungszentrum RAF Westhampnett bekannt. Es verfügte über insgesamt vier über Kreuz angelegte Start- und Landebahnen.

Anfang der 1940er Jahre verlegten die ersten Hawker Hurricane-Verbände nach Westhampnett. Die Infrastruktur wurde deutlich verbessert, u.a. baute man aufgrund des feuchten Bodens eine Ringstraße aus Beton, der später durch Asphalt ersetzt wurde. 

Zwei Staffelführer nutzten bereits damals die Umgehungsstraße des Flugplatzes für private Wettfahrten mit ihren MGs. Als der Flugplatz nach dem Krieg ausgedient hatte und häufiger über den Umbau von Flugplätzen zu Rennstrecken nachgedacht wurde, so z.B. in Boreham, Davidstow, Silverstone und Turnberry, hauchte der Großvater des Duke of Richmond dem Anwesen automobilen Geist ein: Er folgte dem Vorschlag des Staffelkapitäns Tony Gaze, einem berühmten australischen Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg und späteren Rennfahrer. Gaze hatte dem 9th Duke, besser bekannt als Freddie March, vorgeschlagen, dass das Gelände, die ehemalige Westhampnett Farm und Teile des Goodwood Estate, das Potenzial hätten, in eine Rennstrecke umgewandelt zu werden.

Frederick Gordon-Lennox, 9. Duke of Richmond (©Allan Warren, Wikipedia Commons)

„Tonys Idee, die alte Strecke in eine Rennstrecke umzuwandeln, war entscheidend. Mein Großvater ging hin und schaute sie sich an, dann holte er John Cooper her und sie drehten ein paar Runden, in die andere Richtung als jetzt, und sie fanden es ziemlich cool”, so der Duke of Richmond.

Der Bau der Rennstrecke war im Sommer 1948 abgeschlossen. Am 18. September 1948 fanden die ersten Wettbewerbe statt. Im Laufe der Jahre war der Kurs Austragungsort zahlreicher Rennen, bei denen weltbekannte Fahrer der goldenen Ära – Juan Manuel Fangio, Roy Salvadori, Jim Clark, Stirling Moss, Graham Hill, John Surtees und Bruce McLaren u.v.a. – starteten. Aufgrund der immer höheren Geschwindigkeiten genügte die Strecke ab 1966 nicht mehr den Sicherheitsstandards. Die Strecke wurde daher nach dem letzten Rennen am 2. Juli 1966, das von Christopher Le Strange Metcalfe in einem Lola Climax gewonnen wurde, geschlossen.

Der Kurs wurde aber weiterhin von zahlreichen bekannten Teams – McLaren, Eagle, Honda, Brabham, Toleman und Tyrrell Racing – für Testfahrten genutzt. Hier kam im Sommer 1970 auch Bruce McLaren beim Testen seines neuen Can-Am-Autos ums Leben.

Goodwood Racecourse (©Christine Matthews, Wikipedia Commons)

Anfang der 1990er Jahre stand Duke of Richmond an einem Scheideweg. Angesichts der enormen Instandhaltungs- und Betriebskosten waren neue Einnahmen erforderlich, und er plante schon lange die unglaubliche Motorsportgeschichte des 300 Jahre alten Anwesens wiederzubeleben. „Ich wollte schon immer den Motorsport in Gang bringen. Wir hatten jahrelang Gespräche über die Rennstrecke geführt, aber wir kamen nicht weiter. Aber wir hatten nun einmal diese verrückte Idee, ein paar Autos vor dem Haus laufen zu lassen.

Ich lud den FIA-Sicherheitsinspektor Derek Ongaro ein und stellte ihm meine Pläne vor. Zu meiner Verblüffung hielt er das für eine gute Idee und meinte, es könne funktionieren.“

Das war im Oktober 1992. Am Sonntag, dem 20. Juni 1993, fand das erste Festival of Speed ​​statt, dessen Rennsport-Herzstück ein 1,16 Meilen (1,86 km) langer „Hillclimb“ vor Goodwood House bis zur Spitze des Hügels neben der Rennstrecke war.

„Wir dachten, dass diese Shows nun häufiger für die Fahrer und nicht für die Öffentlichkeit veranstaltet wurden; es waren nämlich Clubveranstaltungen. Also entschieden wir: wir probieren es mal aus. Wir wussten nicht, was uns erwarten würde. Die Leute konnten einfach am Tag der Show auftauchen und sich eine Karte holen”, so der Duke of Richmond.

Mehr als 25.000 Menschen kamen zur Premiere, ein großer Erfolg, der ständig wuchs, als das Event zu einer mehrtägigen Veranstaltung wurde und im Jahr 2003 einen Rekord von 158.000 Zuschauern verbuchte, bevor die Karten nur noch im Vorverkauf ausgegeben wurden. Danach begrenzte man die Teilnehmerzahl auf 150.000.

Goodwood Hillclimb, Chapparal 2J

Die Leute kommen wegen der Autos und der Fahrer. Sie kommen auch wegen des einmaligen Ambiente. Sie kommen auch, um die Romantik und die Leichtigkeit zu spüren, die die Veranstaltung und ihre verschiedenen Attraktionen umgibt – darunter das Supercar Paddock, die Forest Rally Stage und die Wertungsprüfung im Stil des Cartier Style et Luxe Concours. Sie kommen, um ganz nah heranzukommen und alles zu erleben, was geboten wird.

„Keine Absperrungen“, sagt der Duke of Richmond. „Das ist eine einfache, aber sehr effektive Entscheidung, und genau das wollte ich. Man kann die Autos nicht absperren, jedes Auto muss zugänglich sein. Jedes Festival wird genau analysiert und die überwältigende Resonanz der Besucher ist, dass sie ganz nah an die Autos herankommen und mit den Fahrern sprechen können.“

Der Paddock in Goodwood ist offen für alle Zuschauer, hier ein Costin Protos mit Hart-Motor aus dem Jahr 1967

2023: In diesem Jahr zündete Goodwood die Kerzen zu mehreren Jubiläen an: 75 Jahre seit der Eröffnung des Goodwood Motor Circuit im Jahr 1948, 30 Jahre seit dem ersten Festival of Speed ​​im Jahr 1993, 25 Jahre seit dem ersten Goodwood Revival im Jahr 1998 und 25 Jahre seit der Gründung des Goodwood Road Racing Club im Jahr 1998. Sicherlich also eine Zeit, um darüber nachzudenken, was der Club alles erlebt und erreicht hat. „Ich bin nicht jemand, der sehr oft zurückblickt“, sagt der 11. Duke of Richmond, Charles Gordon-Lennox und DER Chef von Goodwood, „ich mache einfach weiter“.

Das Anwesen beschäftigt heute Tausende von Mitarbeitern, die in seinen zahlreichen und vielfältigen Aktivitäten, sei es im Automobilbereich oder in anderen Bereichen, tätig sind. Der Duke bleibt derweil bei den Autos aktiv und pflegt persönliche Beziehungen, um sicherzustellen, dass jedes Jahr das Beste dabei ist, seien es Automobil-Prachtstücke oder aktuelle F1-Teams und Grand Prix-Fahrer.

Trotz Regen ein voller Erfolg: 2023 feierte das Festival of Speed seinen 30. Geburtstag

„Letztendlich müssen sie zu uns kommen wollen. Und die meisten wollen, wie wir feststellen, bei uns sein. Ja, wir sind da und drängen darauf, dass etwas passiert, und ich persönlich bin sehr engagiert. Das ist es, was ich die meiste Zeit mache: beispielhaft arbeiten und überzeugen.“

Der Duke ist selbst ein talentierter Fahrer, der einen ganzen Hangar voller beeindruckender Autos mit hoher Geschwindigkeit den Berg hinauf gefahren hat. Er gibt jedoch zu, dass er es heutzutage etwas langsamer angehen lässt und sagt:

„Ich liebe Autos. Als Junge habe ich von diesen Autos geträumt und gedacht, dass ich vielleicht eines Tages eines besitzen könnte. Und jetzt bin ich hier. Auf diesem seltsamen Stück Erde gibt es mehr großartige Autos als irgendwo auf der Welt. Mein Traum ist also wahr geworden. Ich bin die Autos gefahren, von denen ich als 10-Jähriger geträumt habe, und noch viele mehr. Und was für ein unglaubliches Privileg. Ich bin sehr stolz darauf, was wir hier in Goodwood tun. Wenn wir etwas Erbauliches für die Menschen schaffen können, dann ist das eine wunderbare Sache. Ohne Zweifel ist Geschwindigkeit etwas ganz Geniales. Aber es ist auch nur ein Element, das Goodwood zu dem macht, was es heute ist – ein Synonym für weltweite automobile Exzellenz.“

Fotos: Matt Sills (1), Allen Warren (1), Christine Matthews (1), Rainer Roßbach (3)
Text: Jörg-Thomas Födisch/Goodwood.com/jupp/robb/driving.uk/JvO