Zeitenwende: Ferrari 246SP (1961)

Wolfgang Graf Berghe von Trips auf Ferrari 246SP, Targa Florio 1961 (© Bernard Cahier)

Wolfgang Graf Berghe von Trips und Olivier Gendebien triumphierten 1961 bei der Targa Florio auf dem neuen Ferrari 246SP und setzten damit ein erstes Ausrufezeichen für die Mittelmotor-Ära der Scuderia. Ihr Sieg auf den kurvenreichen Straßen Siziliens bewies nicht nur die Leistungsfähigkeit des innovativen V6-Motors, sondern auch die präzise Abstimmung von Fahrwerk, Gewicht und Aerodynamik, die den 246SP zu einem Wendepunkt in Ferraris Motorsportgeschichte machte.

Als Ferrari im Februar 1961 den neuen 246SP vorstellte, war die Überraschung perfekt. Enzo Ferrari hatte sein Credo, ausschließlich Frontmotor-Sportwagen einzusetzen, aufgegeben und auf eine Mittelmotor-Konstruktion gesetzt. Mit diesem Schritt begann für die Scuderia eine neue Ära, die maßgeblich durch technische Innovationen geprägt war und die Entwicklung künftiger Ferrari-Prototypen entscheidend beeinflusste.

Wolfgang Graf Berghe von Trips auf Ferrari 246SP, Targa Florio 1961 (© Bernard Cahier)

Der 246SP war von Beginn an als Prototyp für die FIA World Sportscar Championship konzipiert, die 1961 über fünf Rennen in den USA, Italien, Frankreich und Deutschland ausgetragen wurde. Ferrari stellte neben dem 1,5-Liter-Formel-Renner auch dieses neue Sportgerät vor, das sich durch eine besonders flache Bauweise und aerodynamische Finessen auszeichnete. Die Front wies zwei markante Lufteinlässe im „Squalo“-Stil des Formel-1-Boliden auf, während das Heck durch eine ausgeprägte Abrisskante für zusätzlichen Abtrieb sorgte. Möglich wurde diese niedrige Silhouette durch den quer eingebauten V6-Mittelmotor mit 65 Grad Zylinderwinkel. Dieser Motor hatte bereits im Dino 156 Monoposto von 1957 debütiert und war ab 1959 auch in den Frontmotor-Sportwagen Dino 196S und 246S im Einsatz. Im 246SP entschied sich Ferrari für die großvolumige Variante mit 2.417 Kubikzentimetern, die 245 PS leistete. Damit war eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h erreichbar – beachtlich für ein Fahrzeug, das lediglich 590 Kilogramm wog.

Wolfgang Graf Berghe von Trips auf Ferrari 246SP, Targa Florio 1961 (© Bernard Cahier)

Chefingenieur Carlo Chiti, ausgebildeter Luftfahrttechniker und überzeugter Befürworter des Mittelmotorkonzepts, war der Kopf hinter diesem Schritt. Er hatte Commendatore Enzo Ferrari von den Vorteilen dieser Bauweise überzeugt. Der V6 mit vier obenliegenden Nockenwellen wurde direkt hinter dem Fahrer platziert, wodurch die Balance und das Fahrverhalten deutlich verbessert wurden. Der Wagen basierte auf einem flachen Gitterrohrrahmen, über den Karosseriebauer Medardo Fantuzzi eine leichte Aluminiumhaut spannte. Die Formgebung folgte aerodynamischen Prinzipien, die zu dieser Zeit vor allem im Flugzeugbau Anwendung fanden.

Optische und funktionale Details unterstrichen den technischen Anspruch. In die Kotflügel über dem Haifischmaul waren Scheinwerfer unter Plexiglashauben eingelassen, der umlaufende Windabweiser des offenen Cockpits ging bündig in das leicht erhöhte Heck über. Die Abrisskante am Heck leitete den Luftstrom gezielt nach oben, was den Abtrieb erhöhte und damit die Fahrstabilität bei hohen Geschwindigkeiten verbesserte. Für die Verzögerung sorgten Scheibenbremsen an allen vier Rädern – eine technische Besonderheit Anfang der 1960er-Jahre. Die Einzelradaufhängung rundum unterstützte das agile Fahrverhalten, das durch den kurzen Radstand von nur 2.320 Millimetern zusätzlich geschärft wurde.

Wolfgang Graf Berghe von Trips auf Ferrari 246SP, Targa Florio 1961 (© Bernard Cahier)

Die Zahlen verdeutlichen den Fortschritt: Während der Dino 196S mit 1.984 Kubikzentimetern Hubraum 195 PS leistete, bot der 246SP mit seinen 2.417 Kubik satte 245 PS. In Kombination mit dem geringen Gewicht ergab sich ein hervorragendes Leistungsgewicht. Damit war Ferrari in der Lage, in der Sportwagen-Weltmeisterschaft konkurrenzfähig aufzutreten und gleichzeitig technologische Maßstäbe zu setzen.

Die Präsentation am 13. Februar 1961 in Maranello steht für eine neue Epoche‚ in der Geschichte der Scuderia. Erstmals stellte sich Ferrari mit einem Mittelmotor-Sportwagen dem Wettbewerb. Für Enzo Ferrari, der bislang am Frontmotor festgehalten hatte, war dies ein Paradigmenwechsel. Der Schritt erwies sich als richtungsweisend: Künftige Ferrari-Prototypen folgten dem Konzept, das langfristig Standard im internationalen Motorsport werden sollte.


Ferrari 246SP, Targa Florio 1962 (© Bernard Cahier)

Der 246SP verband Leichtbau, Aerodynamik und Motorentechnik in einer bis dahin bei Ferrari nicht gesehenen Konsequenz. Er war das Resultat technischer Überzeugungsarbeit und visionärer Ingenieurskunst. Die Rennsaison 1961 mit Stationen in Sebring, Targa Florio, ≈ Le Mans, am Nürburgring und Pescara wurde so zum Schauplatz für ein Fahrzeug, das nicht nur in Zahlen, sondern auch in seiner Wirkung Geschichte schrieb.

Fotos: Bernard Cahier (5), Bernhard Völker (1), Rainer Roßbach (2)/Text: Rainer Roßbach