
Als studierter Historiker (Magister Artium) mit dem Spezialgebiet „Entwicklung der deutschen Automobil- und Motorrad-Industrie in den 20er- und 30er-Jahren“ sehe ich mich hier zu einer Stellungnahme gezwungen und genehmige ausdrücklich deren Verwendung in der weiteren Argumentation gegenüber der Stiftung Deutsche Sporthilfe:
Nach Lektüre des Sporthilfe-Eintrags bin auch ich sprachlos. Hier wird ein Zeitzeuge des Weltkriegs, der zum Zeitpunkt der Machtergreifung Hitlers vier Jahre alt war und beim Ausbruch des 2. Weltkrieges elf Jahre – also noch ein Kind! – nachträglich dafür als Nazi-Sympathisant gescholten, dass er – kaum zwei Jahre nach Kriegsende und nach permanenter systematischer Desinformation der Bevölkerung durch die Reichspropaganda – als immer noch nicht volljähriger Jugendlicher 1947 nur zu einem emotionalen Tagebucheintrag fähig war, in dem er die Diskrepanz zwischen der (leider international üblichen) Euphorie der ersten Kriegsjahre und der totalen Niedergeschlagenheit eines von den Alliierten in Grund und Boden zerbombten Volkes ausdrückt.
Diese Argumentation ist mindestens weltfremd und alles andere als ausgewogen, schlimmstenfalls sogar böswillig. Vor allem würde es bedeuten, dass jeder nicht vom NS-Regime verfolgte Sportler als Nazi-Sympathisant oder gar NS-Aktivist einzustufen wäre – beispielsweise auch Huschke von Hanstein, der nach meiner Einschätzung in mindestens naiver Grundeinstellung zum NS-Regime 1933 sogar Mitglied des SS-Kraftfahrer-Korps wurde, um seine Leidenschaft für den Motorsport ausleben zu können. Wie wenig Hanstein ungeachtet dessen mit dem perfiden Gedankengut Hitlers In Verbindung gebracht werden kann, zeigt sein weiterer Lebensweg deutlich – bis hin zu seiner Rolle als AvD-Sportpräsident in den 80er-Jahren. Wäre Hanstein ein aktiver, die Unrechts-Beschlüsse des Regimes Hitler ausführender Nazi gewesen, so müsste man nachträglich all jene heftig kritisieren, die ihn Jahrzehnte später noch in ein so prominentes Amt hoben!

Wenn ein erwachsener, mit der Vorgeschichte und allen Facetten der Hitlerschen Machtergreifung vertrauter Mensch sich aus freien Stücken dazu entschloss, in eine NS-Organisation einzutreten, muss man dies mit dem heutigen Wissensstand über die fatalen Folgen der im Deutschen Reich aus verschiedenen Gründen damals stark unterentwickelten Zivilcourage sowie der fragwürdigen Tendenz zu kritiklosem Obrigkeits-Gehorsam rückblickend kritisch erwähnen. Aber es besteht auch dann noch ein großer Unterschied zu Menschen, die sehr bewusst politisch aktiv in der NSDAP tätig waren und an kriminellen sowie menschenrecht-verachtenden Maßnahmen aktiv mitwirkten – beispielsweise Hans Trippel, der schon 1930 in die NSDAP eintrat und trotz eindeutiger Belege für seine NS-Gesinnung in der BRD als „Erfinder“ des Amphicar noch einmal auf sehr unkritische Weise zu Ansehen kam – was beweist, wie schwer sich die Bonner Republik über viele Jahre mit einer differenzierten Aufarbeitung der NS-Zeit tat. Das ist aber kein Grund, nun ins Gegenteil zu verfallen und jeden zu diffamieren, der nicht zu den aktiven Widerständlern zu rechnen ist – schon gar nicht, wenn er zur Zeit der NS-Herrschaft noch ein Kind war.
Abgesehen davon erscheint mir auch das formaljuristische Vorgehen, die Biografie im ersten Schritt im Internet zu ändern und erst danach diese Änderung tatsächlich auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen, sehr kritikwürdig. Ich hoffe, dieser Missgriff seitens der Sporthilfe lässt sich schnell korrigieren!
Karsten Rehmann
Fach-Journalist/Buch-Autor
30 Jahre Berufspraxis als Motorjournalist, leitender Redakteur, Autor und Pressesprecher mit Stationen bei Motor Klassik (1988), Audi AG (1991), Nürburgring GmbH (1991), Audi Tradition (1992), Auto Zeitung, Köln (1994 bis 2005), Toyota und Lexus Deutschland GmbH, Köln (2005 bis 2011) sowie seit 2011 erneut Auto Zeitung mit Projektleitung für den Aufbau des neuen Titels Auto Zeitung Classic Cars